
Schottisch für Anfänger
Wer in Schottland unterwegs ist, stellt meist schnell fest: Schottisch ist nicht gleich Schottisch. So klingen beispielsweise die Menschen in den südlichen Lowlands ganz anders als etwa die Einwohner von Glasgow oder die Bevölkerung in den Highlands und auf den vielen Inseln bis zu den Shetlands und Orkneys. Beim echten Glasgow patter habe selbst ich, als gebürtiger Schotte, Schwierigkeiten zu folgen.
Der Begriff Schottisch beschreibt im Prinzip drei unterschiedliche sprachliche Phänomene. Während Scots, also Schottisch im engeren Sinne, eine eigenständige Sprache mit einer Vielzahl von Dialekten ist, handelt es sich beim Schottischen Englisch um lokal eingefärbtes Englisch, wobei die Grenzen zum Teil fließend sind. Das Scots beruht auf einer aus dem Altenglischen hervorgegangenen nord-englischen Mundart, die zur west-germanischen Sprachfamilie gehört. Es hat sich seit dem 11. Jahrhundert gegenüber dem Schottisch-Gälischen durchgesetzt, das aus Irland und der keltischen Sprachfamilie stammt. Gälisch wird heute vorwiegend noch auf den Inseln der Hebriden und in den westlichen Highlands gesprochen. Scots, auch Lallans und Doric genannt, ist dagegen vor allem in Südschottland und entlang der Achse Glasgow-Edinburgh sowie an der Ostküste rund um Aberdeen beheimatet.
Schottisches Englisch ist hingegen keine eigene Sprache, sondern das, was die Schotten aus dem Englischen machen. Dabei verhält sich schottisches Englisch zum Standard-Englisch, wie es die BBC von ihren Sprecherinnen und Sprechern verlangt, ungefähr so wie Bayrisch zum Hochdeutschen. Vor allem die Aussprache unterscheidet sich stark vom Standard-Englisch. Besonders deutlich ist das bei den Vokalen und Diphthongen zu hören. So sagen wir Schotten nicht moon mit u, sondern mün mit ü oder toon statt town. Das i beispielsweise in mine wiederum wird im Schottischen als Doppelvokal gesprochen mein. Charakteristisch ist auch das rollende r etwa in first. Für Nicht-Schotten ist es nicht ganz einfach, diese Aussprache hinzubekommen. Das gilt auch für die Frikative, wie etwa das ch in loch (dt. See). Einige englische Worte sind im Schottischen kaum wiederzuerkennen, weil sie komplett anders ausgesprochen und geschrieben werden, etwa eejit statt idiot oder heid statt head.
In der Schule und an der Universität lernen und schreiben schottische Kinder und Studierende Standard-Englisch. Gleiches gilt für Ämter und Behörden. Zuhause, im Alltag, auf der Straße und erst recht im Pub aber sprechen die meisten ihren jeweiligen lokalen schottischen Dialekt. Erstaunlicher Weise habe ich hier in Deutschland schon häufig Parallelen in den sogenannten plattdeutschen Dialekten entdeckt, etwa bei hoose (engl. house) und Huus (dt.: Haus) oder kirk (engl.: church) und Kerk (dt. Kirche).
Wo hen mehr als ein Huhn ist
Neben den klanglichen Unterschieden gibt es auch viele eigenständige Ausdrücke im Schottischen. Am bekanntesten ist wohl bonnie (dt.: hübsch, prächtig, fröhlich) während eine Sprachschöpfung wie bahookie (dt.: Gesäß) Fremde eher vor Rätsel stellt. Einige davon haben ihren Weg ins Standard-Englisch gefunden. Manche Worte aus dem Englischen wiederum haben im Schottischen eine ganz eigene Bedeutung entwickelt, was Fremde mitunter verwirrt. Ich weiß noch, wie empört meine Lebensgefährtin reagierte, als die Bedienung in einem Laden in Stirling sie mit hen anredete. Hen – das vom Ursprung her tatsächlich Huhn bedeutet, ist im schottischen Sprachgebrauch keinesfalls despektierlich oder gar als Schimpfwort zu verstehen. Vielmehr ist es im Alltag als Anrede für Frauen durchaus herzlich und höflich gemeint. Auch Frauen untereinander nutzen hen. Es handelt sich also nicht um einen Ausdruck schottischer Macho-Gesinnung.
Eine Auswahl schottischer Worte und Redewendungen möchte ich nach und nach an dieser Stelle vorstellen. Angesichts der düsteren Prognose der Gesellschaft für bedrohte Sprachen, dass ein Drittel der zur Zeit noch weltweit gesprochenen 6500 Sprachen, innerhalb der nächsten Jahrzehnte aussterben und unwiederbringlich verloren gehen könnte, mein bescheidener Beitrag zum Erhalt des Schottischen. Es ist eine liebenswerte Sprache, die viel aussagt über das Leben, die Menschen und die Geschichte meiner Heimat.
„The Scots language is a mark of the distinctive identity of the Scottish people; and as such we should be concerned to preserve it, even if there were no other reason, because it is ours. This statement requires neither explanation nor apology.“
J. Derrick McClure, ‚Why Scots Matters‘